Kants kategorischer Imperativ – Erklärung, Beispiel und Kritik

In diesem Artikel erfährst du, was mit Kants berühmten „kategorischem Imperativ“ gemeint ist. Mithilfe einiger praktischer Beispiele wirst du verstehen, auf welcher Idee Kants Begriff beruht und welche Kritik es dazu gibt.

Abgrenzung zum Utilitarismus

Damit du besser verstehst, wie Kant auf diesen Begriff gekommen ist, ist es wichtig zu verstehen, gegen welche damaligen philosophischen Vorstellungen von Falsch und Richtig sich Kant gewandt hat. Damals war eine philosophische Richtung bei der Frage nach Richtig und Falsch sehr verbreitet, die sich „Utilitarismus“ nennt. Die Idee des Utilitarismus bedeutet in einfachen Worten, dass eine Handlung dann richtig ist, wenn sie für alle Beteiligten den größten Nutzen bringt.

Das kann aber problematisch sein: Ob eine schwangere Frau ihr schwer behindertes Kind abtreiben soll, kann ganz unterschiedlich ausfallen. Wenn die Gesellschaft über die Krankenkasse mit den Kosten belastet wird, dann wäre der Gesamtnutzen einer Abtreibung größer. Wenn die Eltern des Kindes allerdings viel Geld haben, dann wäre der Nutzen der Eltern und des Kindes größer. Du siehst: Richtig und Falsch hängt sehr stark davon ab, wie die Welt ist, es gibt kein allgemeingültiges Prinzip.

Normatives Denken

Hiergegen wendet sich Kant mit seinem kategorischen Imperativ. Er kritisiert, dass Richtig und Falsch im Sinne des Utilitarismus immer nur davon abhängen, wie die Welt beschaffen ist. Um im obigen Beispiel zu bleiben: Die Entscheidung für oder gegen das Kind würde anders ausfallen, wenn die Eltern des Kindes viel Geld hätten und die Gesellschaft nicht die Kosten für das Kind tragen müsste. Kants Überzeugung ist, dass Richtig und Falsch beim Beispiel der Abtreibung eine allgemeingültige Regel braucht, die nicht davon abhängt, ob die Eltern Geld haben oder nicht.

Kants kategorischer Imperativ bedeutet in verständliche Sprache übersetzt: Handle nur nach Grundsätzen, von denen du wollen kannst, dass sie weltweit ein gültiges Gesetz werden.

Schauen wir uns das noch einmal etwas genauer an. Kant stellt folgende Bedingungen für den kategorischen Imperativ auf:

  • Allgemeingültigkeit: Die Handlung soll ohne Einschränkungen gelten können (das ist die Bedeutung von „kategorisch“)
  • Zweck, den jeder mit Vernunft wollen kann
  • Aus Pflicht und frei von Eigennutz
  • Andere Menschen dürfen niemals nur Mittel zum Zweck sein

Klingt erst einmal kompliziert, aber an einem ganz konkreten Beispiel wird es verständlich:

Ein Mensch ist am Ertrinken. Soll ich ihm nach Kant helfen? „Du sollst Menschen in Lebensgefahr helfen“ kann ein allgemeines Gesetz sein, da die Handlung keine Einschränkung enthält. Eine Einschränkung wäre etwa die Bedingung: „Nur wenn du sie kennst“. Außerdem ist es ein Zweck, den jeder vernünftige Mensch will. Der Retter sollte dabei ohne Eigennutz handeln. Eigennützig wäre zum Beispiel eine Rettung nur wegen einer Belohnung. Dann wäre der ertrinkende Mensch nicht nur als Zweck an sich gerettet worden, sondern als Mittel, um an die Belohnung zu kommen.

Im Unterschied zum Utilitarismus ist das was Richtig und Falsch allgemeingültig (kategorisch) und ändert sich nicht, wenn sich die Umstände der Welt ändern. Das nennt man auch normatives Denken.

Kritik am kategorischen Imperativ

Der kategorische Imperativ ist zurecht auch Kritik ausgesetzt. Überlegen wir uns folgendes: Sowohl „Du sollst nicht lügen“, als auch „Du sollst Menschen in Lebensgefahr retten“ sind nach Kant wahr. Was aber, wenn man einen Menschen in Lebensgefahr nur retten kann, wenn man lügt? Etwa weil man einem Auftragsmörder sagt, das Opfer sei nicht zuhause? Hier zeigen sich die Schwächen des kategorischen Imperativs, weil beide Handlungen richtig sind und man eine Handlung bevorzugen muss. Auch über das, was alle vernünftigerweise Wollen lässt sich viel streiten. In der heutigen Zeit, in der vielfältige unterschiedliche Meinungen als gleichwertig akzeptiert werden, ist das keinesfalls so eindeutig, wie von Kant gedacht.

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